Prävention von Extremismus und Hassgewalt

Demokratiefeindliche Einstellungen stellen unsere Gesellschaft als Ganzes auf die Probe und schaffen den Nährboden für Gewaltbereitschaft.

Deshalb möchten wir Heidelberger Schulen im Hinblick auf Extremismusprävention und Prävention von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit unterstützen.

Unsere pädagogischen Angebote richten sich an Fachkräfte von Schulen und Kindertageseinrichtungen, Multiplikator*innen der Jugendarbeit und an Schüler*innen bzw. Jugendliche.

Der Themenkomplex beschäftigt und emotionalisiert insbesondere Jugendliche, die mit menschenfeindlichen Aussagen und extremistischer Propaganda im Alltag und in den sozialen Medien konfrontiert werden. Akteure aus unterschiedlichen ideologischen Lagern versuchen gezielt junge dynamische Menschen anzusprechen, um  sie für ihre Ideologien zu gewinnen.

In diesem Spannungsfeld erleben sich Pädagog*innen und Sozialarbeiter*innen immer öfter sprachlos – sei es gegenüber ‚religiös‘ argumentierenden Jugendlichen, oder angesichts rassistischer und rechtspopulistischer Äußerungen im Schulalltag.

Genau hier setzen wir an und vermitteln Wissen, Sensibilisierung und Handlungskompetenz rund um die Themen Prävention, Populismus, Radikalisierung und Hassgewalt.

Projektstand: laufend
 

Gefördert durch:

In Kooperation mit:

Einbezug der Deradikalisierungsarbeit 

Im Rahmen der Prävention von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Radikalisierung und Extremismus setzen wir in Zusammenarbeit mit der Stadt Heidelberg das einjährige Projekt  „Deradikalisierung weiter gedacht – Heidelberg macht sich stark“ um.  

Ziel ist es, Mitarbeiter*innen aus der Präventions- und Antidiskriminierungsarbeit mit den landes- und bundesweiten Akteuren der Deradikalisierungsarbeit in Austausch zu bringen.  

Auch Fachkräfte der Kinder- und Jugendarbeit sowie Multiplikator*innen aus Bildungseinrichtungen werden in den Austausch miteingebunden. 

Dabei werden (De-)Radikalisierungsprozesse von Kindern und jungen Menschen phänomenübergreifend in den Blick genommen und methodische Ansätze fachübergreifend diskutiert, um Handlungskompetenzen im Umgang mit Radikalisierung und politischem oder religiösem Extremismus zu stärken bzw. zu entfalten und Antworten auf aktuelle Herausforderungen zu finden. 

Ein weiteres zentrales Anliegen im Rahmen des Projekts ist es, vor Ort Kenntnisse über Angebote der Präventions und Deradikalisierungsarbeit zu vermitteln sowie das Wissen über die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche zu erhöhen. Multiplikator*innen und (pädagogische) Fachkräfte sollen somit in die Lage versetzt werden in entsprechenden Situationen zielführend vermitteln zu können und die relevanten Ansprechpartner*innen zu kennen.    

 Das Modellprojekt wird durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im Rahmen der Projektförderung „Modellkommune Deradikalisierung“ gefördert und vom Bürger- und Ordnungsamt der Stadt Heidelberg in Zusammenarbeit mit Mosaik Deutschland e. V. umgesetzt. 

Projektstand: abgeschlossen

Glossar

„Die Verfassungsschutzbehörden unterscheiden zwischen ‚Extremismus‘ und ‚Radikalismus‘, obwohl beide Begriffe oft synonym gebraucht werden. Bei ‚Radikalismus‘ handelt es sich zwar auch um eine überspitzte, zum Extremen neigende Denk- und Handlungsweise, die gesellschaftliche Probleme und Konflikte bereits ‚von der Wurzel (lat. radix) her‘ anpacken will. Im Unterschied zum ‚Extremismus‘ sollen jedoch weder der demokratische Verfassungsstaat noch die damit verbundenen Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung beseitigt werden. So sind z. B. Kapitalismuskritiker, die grundsätzliche Zweifel an der Struktur unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung äußern und sie von Grund auf verändern wollen, noch keine Extremisten. Radikale politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz. Auch wer seine radikalen Zielvorstellungen realisieren will, muss nicht befürchten, dass er vom Verfassungsschutz beobachtet wird, jedenfalls nicht, so lange er die Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung anerkennt. Als extremistisch werden dagegen die Aktivitäten bezeichnet, die darauf abzielen, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen.“

(Quelle: Bundesamt für Verfassungsschutz https://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lE)

„meint die Abwertung bestimmter, meist schwächerer Gruppen aufgrund zugewiesener oder gewählter Merkmale. Man spricht auch von einem Syndrom GMF, weil die Abwertung über verschiedene Gruppen hinweg nach ähnlichen Mustern und Mechanismen verläuft und auf ähnlichen Einstellungen gegenüber diesen Gruppen basiert.

GMF wird durch eine Ideologie begründet, nach der Menschen unterschiedlicher sozialer, religiöser und ethnischer Herkunft oder verschiedener Lebensstile ungleich und ungleichwertig betrachtet werden. Solche Gruppen werden nicht nur mit feindseligen Einstellungen, sondern auch mit feindseligen Handlungen konfrontiert, sodass zusätzlich ihre Unversehrtheit in Frage gestellt wird.

Neben Fremdenfeindlichkeit und Rassismus umfasst GMF die Abwertung aufgrund einer bestimmten Religionszugehörigkeit (Antisemitismus , Islamophobie), die Herabsetzung sexuellen Andersseins (Homophobie , Sexismus), die Demonstration von Etabliertenvorrechten sowie die Abwertung aufgrund körperlicher Merkmale (bei Behinderten) oder sozialer Kriterien (bei Obdachlosen oder Langzeitarbeitslosen).

GMF richtet sich damit nicht nur gegen Gruppen, die aufgrund ihrer Herkunft als ungleich empfunden werden, sondern auch gegen jene, die gleicher Herkunft sind, sich aber anders oder abweichend verhalten oder zumindest als anders empfunden werden. GMF kann sich unauffällig, z. B. nur in Meinungen, aber auch in Diskriminierung, Ausgrenzung oder sogar Gewalt äußern und wird zudem von gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst (z. B. Arbeitslosigkeit, Berichterstattung in den Medien).

Sie tritt verstärkt bei Menschen auf, deren menschliche Grundbedürfnisse nach Sicherheit, Integration und Anerkennung nicht erfüllt sind. Angst vor Arbeitslosigkeit, schlechte soziale Absicherung, instabile emotionale Situationen, negative Zukunftserwartungen oder gefühlte politische Machtlosigkeit bestärken menschenfeindliche Einstellungen und Handlungen.“

(Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

https://www.demokratie-leben.de/wissen/glossar/glossary-detail/gruppenbezogene-menschenfeindlichkeit-gmf.html )

bezeichnet aus Perspektive der Sicherheitsbehörden „eine religiös motivierte Form des politischen Extremismus. Islamisten sehen in den Schriften und Geboten des Islam nicht nur Regeln für die Ausübung der Religion, sondern auch Handlungsanweisungen für eine islamistische Staats- und Gesellschaftsordnung. Ein Grundgedanke dieser islamistischen Ideologie ist die Behauptung, alle Staatsgewalt könne ausschließlich von Gott (Allah) ausgehen. Damit richten sich islamistische Bestrebungen gegen die Wertvorstellungen des GG, insbesondere gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Islamisten halten die Etablierung einer islamischen Gesellschaftsordnung für unabdingbar. Dieser Ordnung sollen letztlich sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime unterworfen werden.“

 

Die politische Bildung legt bei der Definition von Islamismus den Fokus auf die „Instrumentalisierung und Politisierung der Religion des Islam, um bestimmte Werte und Vorstellungen, die den Menschenrechten widersprechen, zur verpflichtenden Norm für alle zu erheben.“

 

(Quelle: Bundesamt für Verfassungsschutz https://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lI

 

Steinbrenner, Felix und Beck, Stefanie: „Wege zu einer demokratischen Haltung in der Schule finden“. In: Landesinstitut für Schulentwicklung u.a. (Hrsg.): Jugendliche im Fokus salafistischer Propaganda. Was kann schulische Prävention leisten? Teilband 1. Stuttgart, 2016: S. 101-103.)

„[lat.] P. bezeichnet eine Politik, die sich volksnah gibt, die Emotionen, Vorurteile und Ängste der Bevölkerung für die eigenen Interessen und Ziele nutzt und vermeintlich einfache und klare Lösungen für politische Probleme anbietet. In unterschiedlicher Variation behaupten Populisten, für das gesamte Volk zu sprechen und den wahren Willen des Volkes zu vertreten.

Tatsächlich ist aber die Vorstellung, es gäbe ein homogenes (Staats-)Volk nicht haltbar. Sowohl in ethnischer, sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die individuelle Interessenslage ist die Bevölkerung aller Staaten heterogen.
Darüber hinaus gibt es (zumindest in politischen Angelegenheiten) keine absolute Wahrheit. Gerade deshalb sind in den modernen Demokratien alle Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, sich auf allen Ebenen politisch zu beteiligen und die gemeinsame Zukunft aktiv mitzugestalten.“

(Quelle: Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 7., aktual. u. erw. Aufl. Bonn: Dietz 2018. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.)

Unter Prävention versteht man in verschiedenen Disziplinen im Allgemeinen das Vorbeugen unerwünschter Situationen und Entwicklungen. Sie kann in verschiedenen Bereichen stattfinden, wie beispielsweise dem Straßenverkehr (Verkehrsprävention), dem Gesundheitswesen (z. B. Suchtprävention), der öffentlichen Sicherheit (Gewalt- bzw. Kriminalprävention) etc. Abhängig vom Präventionskontext werden daher präventive Maßnahmen in sehr unterschiedlichen Räumen umgesetzt, dazu zählen u. a. Schulen, Vereine, Jugendeinrichtungen, Krankenhäuser, Gefängnisse etc.

Im Feld der Extremismusprävention bewegt sich der Präventions-Begriff – wie bereits der Radikalisierungsbegriff – im Spannungsfeld zweier maßgebend unterschiedlicher Verständnisse, dem sicherheitsbehördlichen und dem politikwissenschaftlichen.

  1. Die Sicherheitsbehörden verstehen Prävention als das Entgegenwirken bzw. Abwenden von Gewaltakten (Straftaten), welche sich gegen Individuen, Gruppen oder das politische System richten.
    -> verhaltensorientiert

  2. Die politische Bildung versteht Prävention als Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Menschen gegenüber (politisch) extremistischen Ideologien, wobei nicht zwangsläufig eine Gewaltkomponente mitschwingen muss.
    -> einstellungsorientiert

 

(Quelle: http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/22704/praevention

Thomas Krüger: „Politische Bildung, Prävention und gesellschaftlicher Zusammenhalt“, Deutscher Präventionstag (Hrsg.), Engagierte Bürger – sichere Gesellschaft.) Ausgewählte Beiträge des 13. Deutschen Präventionstages, Forum Verlag, Aufl. 1, 2009, S. 331 f.

 

Als politischer Begriff wird Radikalisierung häufig verwendet, um unerwünschte gesellschaftspolitische Phänomene, wie den Dschihadismus oder den Rechtsextremismus, zu beschreiben.

In der Forschung besteht Einigkeit darüber, dass es sich bei Radikalisierung, anders als bei den Begriffen Radikalismus oder Radikalität, welche fälschlicherweise häufig synonym verwendet werden, um einen Prozess handelt. Im Zuge dieses Prozesses durchläuft eine Person mehrere Stufen, bis sie eine bestimmte, als radikal oder extrem geltende Überzeugung übernimmt.

Menschen können sich in ganz unterschiedlichen Bereichen radikalisieren, wie z. B. in ihrer religiösen, politischen oder sozialen Einstellung.

Wie der Radikalisierungsbegriff letztendlich verstanden wird, entscheidet sich am Verhältnis von Radikalisierung und Gewalt. Hierbei gilt es zwischen drei Formen zu unterscheiden:

  1. Radikalisierung in die Gewalt
    „[…] wenn ein Individuum oder ein Kollektiv zur Durchsetzung seiner politischen Ziele und Ideen seine Mittel ausweitet und nicht mehr nur gewaltfrei agiert und argumentiert, sondern auch Gewalt anwendet oder zumindest die Bereitschaft zur Anwendung verkündet und so von legalen Mitteln abweicht.“
  2. Radikalisierung in der Gewalt
    „Die Radikalisierung in der Gewalt umfasst Individuen und Gruppen, die zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele und Ideen bereits Gewalt anwenden, sich jedoch weiterhin radikalisieren. Dies kann sich im signifikanten Anstieg der Gewaltmittel, in der Häufigkeit der Gewaltanwendung oder der Ausweitung der Ziele abbilden.“
  3. Radikalisierung ohne Gewalt
    Hier ist eine Unterscheidung zwischen radikalem Gedankengut und radikaler Handlung vorzunehmen.

Da zum einen Radikalisierung nicht messbar ist und somit nicht festgelegt werden kann, ab wann ein Radikalisierungsprozess beginnt, und sich zum anderen die Radikalisierungsforschung auf keine einheitliche Definition einigen kann, sind sowohl der Begriff selbst als auch sein Nutzen zunehmend in Kritik geraten.

(Quelle: Hande Aby Gaspar (et. al.): „Was ist Radikalisierung? Präzisierung eines umstrittenen Begriffs“, HSFK: Frankfurt, 2018; S. 1-19.)

„bezeichnet eine politische Einstellung, die sich gegen die Ordnung des demokratischen Verfassungsstaates stellt und gesellschaftliche Vielfalt sowie freie Wirtschaftssysteme fundamental ablehnt. Charakteristisch für den R. ist die Aufspaltung in Gruppen und Untergruppen, die in der Regel auf persönlichen Gefolgschaften (Führer und Gefolge) beruhen. R. basiert auf Intoleranz und Vorurteilen (z. B. gegen Ausländer und Minderheiten), fördert autoritäres Verhalten, verherrlicht Macht und Gewalt. Rechtsextreme Ideologien führen alle aktuellen politischen, ökonomischen und sozialen Probleme auf eine einzige Ursache zurück und setzen dagegen ein autoritäres, menschenverachtendes Weltbild, dessen Fundament in der Regel ein aggressiver, expansionistischer Staat ist.“

(Quelle: Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 7., aktual. u. erw. Aufl. Bonn: Dietz 2018. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.)

„ist eine islamistische Strömung, die in Anlehnung an wahhabitische Lehren eine wörtliche Orientierung an der Glaubenspraxis der ersten Muslime einfordert. Die Bewegung erhebt den Anspruch, den Islam durch den unmittelbaren und ausschließlichen Bezug zu den religiösen Hauptquellen zu erneuern und von vermeintlich korrumpierenden, fremden Einflüssen zu befreien. Der Salafismus ist in Deutschland ein Phänomen vornehmlich junger Erwachsener und Jugendlicher. Während die meisten muslimischen Moscheegemeinden in Deutschland nach ethnischer Zugehörigkeit organisiert sind, richtet sich der Salafismus an jeden Einzelnen – unabhängig von Sprache, Herkunft oder Kultur. Der in den Augen der Salafisten durch verschiedene Rechtsauslegungen entstandenen Spaltung der muslimischen Glaubensgemeinschaft setzen sie ein übergeordnetes und universalistisches Rechtsverständnis entgegen. Attraktiv macht die Bewegung dabei insbesondere für Jugendliche, dass sie in Zeiten, in denen traditionelle Identitäten immer mehr hinterfragt werden, mit festen Regeln und Rollenbildern ein eindeutiges Weltbild und einen klaren Orientierungsrahmen bietet. Die von salafistischen Aktivisten vertretene Beschränkung des Islam auf sein formales Regelwerk stößt jedoch auf Ablehnung anderer muslimischer Strömungen und Organisationen. Dennoch ist der Salafismus in Deutschland aktuell die am stärksten wachsende islamistische Bewegung.“

(Quelle: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.): Jugendszenen zwischen Islam und Islamismus. Ein Glossar. 4. Aufl. Nagold: Retsch Druck 2014.)