Berufsbegleitende Weiterbildung zu Extremismus und Radikalisierung

Berufsbegleitende Weiterbildung für Lehrkräfte, Pädagog:innen, Sozialarbeiter:innen, Akteur:innen der Prävention und des Opferschutzes

Abstract – Kurz und bündig – worum geht es?
Fachkräfte aus pädagogischen und sozialen Berufsfeldern, die sich im Themenfeld Extremismus weiterbilden möchten, nehmen häufig Fortbildungsangebote aus dem Bereich der politischen Bildung in Anspruch, die jedoch meist als eintägige Veranstaltungen selten der Komplexität der Thematik gerecht werden. Darüber hinaus sind diese Fortbildungsangebote entweder auf eine sehr breite Zielgruppe ausgerichtet, sodass berufsspezifische Fragen und Bedürfnisse von Teilnehmenden nicht abgedeckt werden können, oder auf eine einzige Berufsgruppe zugeschnitten, wodurch andere Tätigkeitsfelder inhaltlich aus dem Blick geraten.

Um diese Lücken zu schließen, wurde ein bedarfsspezifisches Angebot entwickelt, das sich an verschiedene (vornehmlich sozial-pädagogische) Berufsfelder richtet, für die das Thema Extremismus im Arbeitsalltag hohe Relevanz besitzt.

Nachfolgend wird das Angebot mit dem Titel „Extremismus und Radikalisierung – Handlungskompetenz für die Bildungsarbeit mit jungen Menschen“, das in Form eines Kontaktstudiums angelegt ist, vorgestellt. Es konnte – in Deutschland erstmalig – 2021 erfolgreich angeboten und realisiert werden.

Das Innovative der drei Monate dauernden, modular aufgebauten Qualifizierungsmaßnahme besteht neben seiner inhaltlich-modularen Konzeption, auch in der institutionellen und personellen Kooperation verschiedener Partner:innen aus Hochschule, politischer Bildung sowie Sicherheitsbehörden, die in der Regel in diesem Themenfeld verschiedene Herangehensweisen pflegen.

Die Teilnehmenden werden durch das multiprofessionelle Team eng begleitet. Die Zusammenarbeit ermöglicht zum einen, die Teilnehmenden praxisnah anzuleiten, zum anderen sie mit den wichtigen Präventionsakteur:innen und Anlaufstellen des Themenkomplexes in den persönlichen Austausch zu bringen.

Die Teilnehmenden erhalten damit Gelegenheit, sich mit wissenschaftlich-empirischen Erkenntnissen auseinanderzusetzen und die erworbene Fachexpertise in der konkreten Berufspraxis zeitnah zu erproben sowie darüber hinaus in ihren Institutionen zu implementieren.

Das Kontaktstudium schließt mit einer Prüfung ab, was zum Erwerb eines Hochschulzertifikats berechtigt.

Das Angebot
Handlungssicherheit für den pädagogischen Alltag mit jungen Menschen gewinnen!

Extremistische Strömungen spielen eine wichtige Rolle und sind im öffentlichen Raum und auch in Bildungseinrichtungen sichtbarer geworden. Wenn Jugendliche sich plötzlich anders verhalten oder mit demokratiefeindlichen Äußerungen auffallen, dann ist es notwendig, dass pädagogische Fachkräfte darauf souverän reagieren. Gerade wenn religiöse Aspekte berührt sind, ist „Fingerspitzengefühl“ gefragt. Wie erkennen Pädagog:innen bzw. Fachkräfte, ob jemand nur provoziert oder tatsächlich eine extremistische Haltung entwickelt hat? Warum entwickeln Jugendliche bzw. junge Erwachsene überhaupt eine Neigung zum Extremismus? Und welche Schritte sind möglich und nötig, sofern sich der Verdacht erhärtet?

Das Kontaktstudium „Extremismus und Radikalisierung: Handlungskompetenz für die Bildungsarbeit mit Jugendlichen“ befähigt die Teilnehmenden, verschiedene Formen von Extremismus und Radikalisierung zu erkennen, junge Menschen für die Thematik zu sensibilisieren, in begründeten Verdachtsmomenten die Gefahrenlage angemessen einzuschätzen sowie – je nach Sachlage – in Absprache bzw. Zusammenarbeit mit geeigneten Netzwerk-Akteur:innen gemeinsame zielführende Schritte für ein angemessenes Vorgehen einzuleiten. Das Angebot richtet sich an alle Berufsgruppen, die mit jungen Menschen arbeiten und ist sowohl praxisorientiert als auch theoretisch fundiert.

Das Format
Kompakt, online, vernetzend, aktuell. Die Weiterbildung ist in drei thematische Blöcke unterteilt, welche im Abstand von vier bis sechs Wochen stattfinden. Sie umfassen jeweils anderthalb Online-Seminartage; die Selbstlernphasen der Teilnehmenden werden durchgehend durch E-Learning Kurse unterstützt. Jeder Block besteht aus einer forschungsbasierte Ein-/Hinführung, Fallbeispielen, konkreten Anwendungsaufgaben für den Arbeitskontext sowie einem intensiven Austausch innerhalb der Gruppe. Im Zentrum stehen der persönliche Kontakt und der intensive Diskurs mit Expert:innen aus verschiedenen Fachbereichen und Praxisfeldern. Die Teilnehmenden profitieren von einer eingespielten Teamarbeit und einem umfassenden Netzwerk der beteiligten Personen und Institutionen.

Programm & Termine
Jedes Modul findet freitags von 17.00 – 20.00 Uhr und samstags, von 10.00 – 16.00 Uhr über eine Videoplattform statt.

Modul 1
Einführung in Extremismus und Radikalisierung: Erscheinungsformen, Begrifflichkeiten und aktuelle Entwicklungen
Die Teilnehmenden werden in die soziologischen, politikwissenschaftlichen und rechtlichen Grundlagen der Auseinandersetzung mit dem Themengebiet Extremismus eingeführt. Sie lernen verschiedene Formen des Extremismus kennen, erhalten Einblicke in Radikalisierungsprozesse und lernen aktuelle Entwicklungen insbesondere in Europa und Deutschland kennen.

Modul 2
Radikalisierung und Rekrutierung: Möglichkeiten der Prävention und Intervention
Im zweiten Modul lernen die Teilnehmenden die realen Orte und virtuellen Räume der extremistischen Ansprache und Rekrutierung kennen und analysieren die Erscheinungsformen des Extremismus als soziokulturelles Phänomen. An konkreten Fallbeispielen aus der kriminalpolizeilichen Praxis und Online-Streetwork erörtern die Teilnehmenden gemeinsam mit der Seminarleitung und weiteren Expert:innen aus verschiedenen Praxisfeldern Möglichkeiten der Prävention, des Umgangs mit Verdachtsfällen und Optionen für eine wirkungsvolle Intervention. Ein zentrales Thema ist die Entwicklung und Stärkung von lokalen und regionalen Netzwerken, die die Arbeit vor Ort unterstützen.

Modul 3
Extremismusprävention und De-Radikalisierungsprogramme in Bildungsinstitutionen
Im Fokus des dritten Moduls stehen der Überblick über die institutionellen Strukturen zur Prävention in den jeweiligen Bundesländern sowie über schulische und außerschulische Präventionsprogramme. Darüber hinaus präsentieren die Teilnehmenden der Seminargruppe eine selbst erarbeitete Fallanalyse aus ihrer praktischen Arbeit/ ihrem beruflichen Alltag und stellen diese zur Diskussion.

Rahmenbedingungen
Am Kontaktstudium kann teilnehmen, wer ein einschlägiges Hochschulstudium (im Mindestumfang von 180 Leistungspunkten oder mit mindestens dreijähriger Regelstudienzeit) abgeschlossen hat oder die erforderliche Eignung durch eine Ausbildung sowie erste Berufserfahrungen im Bildungs- oder Ausbildungsbereich nachweisen kann. Voraussetzung für den Erhalt des Hochschulzertifikates mit sechs ECTS-Punkten (European Credit Transfer and Accumulation System) ist die regelmäßige Teilnahme an den Online-Präsenzterminen sowie eine mit bestanden bewertete Fallanalyse, die im Kurs präsentiert sowie schriftlich ausgearbeitet wurde.

Bisherige Erfahrungen
Die Erfahrungen nach zwei Durchläufen stimmen zuversichtlich. Das Angebot wird sehr gut angenommen, die ausgewogene Mischung von Theorie und Praxisbezug findet große Akzeptanz.

Stimmungsbild: „Obwohl der Samstag deutlich fortgeschritten ist, wird in Raum zoom06 noch angeregt diskutiert. In diesem virtuellen Raum treffen sich seit dem Morgen die Teilnehmenden und Dozierenden des Kontaktstudiums Extremismus und Radikalisierung in Bildungseinrichtungen zu einem Abschlusscolloquium.“

Dass das Kontaktstudium trotz des vergleichsweise kompakten Formats mit einer Dauer von drei Monaten und insgesamt drei zweitägigen Workshop-Blöcken mit dazugehörigen Phasen der Anwendung und Vertiefung im Selbststudium gelungen ist, zeigen nicht nur die sensiblen und differenzierten Fallanalysen und Kommentare im Abschluss-Kolloquium, sondern auch die Rückmeldungen der Teilnehmenden:

„Ich kenne nun einschlägige Beratungsstellen und habe Materialien zum Nachlesen. Am wichtigsten ist jedoch, dass ich ein Netzwerk aufgebaut habe und auf die Kontakte zurückgreifen kann, wenn ich einen Fall habe“, resümiert eine Teilnehmende den Nutzen der Weiterbildung für ihre berufliche Tätigkeit.

Ein anderer Teilnehmer hält fest: „Dieses Kontaktstudium hat mich für meinen beruflichen Alltag professionalisiert, da an ganz konkreten Fallbeispielen gearbeitet wurde und Fachkräfte aus unterschiedlichen Professionen ihre Expertise und Erfahrungen sehr lebensnah vermittelt haben. Es war intensiv, aber sehr kurzweilig!“

Andere Teilnehmende betonen, dass sie zwischenzeitlich einen besseren Umgang mit Schüler:innen bzw. Studierenden haben, was mehr Handlungssicherheit in verschiedenen Situationen in der Schule sowie in der kollegialen Beratung bedeute.

Der persönliche Kontakt und der intensive Austausch mit Expert:innen aus verschiedenen Fachbereichen und Arbeitskontexten unterscheidet das neue Weiterbildungsmodul der Pädagogischen Hochschule Heidelberg von bereits existierenden Angeboten zum dem Thema. „Ich arbeite bereits seit langem in unterschiedlichen Kontexten mit den Kooperationspartner:innen“, so Havva Engin, Professorin für Allgemeine Pädagogik mit dem Schwerpunkt Interkulturelle Pädagogik und Leiterin des Heidelberger Zentrums für Migrationsforschung und Transkulturelle Pädagogik (Hei-MaT). „Die Teilnehmenden profitieren enorm von dieser eingespielten Teamarbeit und dem damit verbundenen Netzwerk.“

Voraussetzung für den Erwerb des Hochschulzertifikats, für das sechs ECTS-Punkte vergeben werden, ist eine kontinuierliche Teilnahme, die Bearbeitung mehrerer kleinerer Reflexions- und Anwendungsaufgaben sowie die Präsentation und schriftliche Ausarbeitung einer Fallanalyse. „Die pandemiebedingte kurzfristige Umstellung auf ein komplettes Online-Format war für alle eine Herausforderung,“ berichtet Dženeta Isaković, Referentin des Kooperationspartners Mosaik Deutschland. „Umso mehr freut es mich, dass die Teilnehmenden so verlässlich und engagiert im virtuellen Raum gearbeitet haben und allesamt den Kurs erfolgreich mit einem Zertifikat abschließen.“

Seminarleitung
Prof. Dr. Havva Engin (PH Heidelberg)

Die renommierte Sprach- und Erziehungswissenschaftlerin ist als Expertin für Integrationsfragen und transkulturelle Pädagogik in diversen politischen Gremien und Netzwerken auf Landes- und Bundesebene aktiv und wurde für ihr Engagement mehrfach ausgezeichnet. In das Kontaktstudium bringt sie aktuelle Erkenntnisse erziehungswissenschaftlicher Forschung sowie ihre Erfahrungen mit dem Alltag an Schulen und aus ihrer politischen Arbeit mit ein.

Dženeta Isaković M.A. (Mosaik Deutschland e.V.)
Die in der politischen Bildung tätige studierte Islam- und Politikwissenschaftlerin bringt ihre Kenntnisse vom Islam und von der Geschichte der MENA-Region sowie ihre umfassende Erfahrung in der Radikalisierungsprävention und der Antidiskriminierungsarbeit in das Kontaktstudium ein.

Günther Bubenitschek (WEISSER RING e.V.)
Der ehemalige Kriminalhauptkommissar und Landespräventionsbeauftragte kennt die Räume und Mechanismen extremistischer Ansprache. Er kann auf der Grundlage seiner kriminalpolizeilichen Expertise Handlungsmöglichkeiten aufzeigen und über deren Konsequenzen für Individuen und Umfeld berichten. Zudem verfügt er über ein weit gespanntes Netzwerk in der Kriminalprävention und im Opferschutz, welches er den Teilnehmenden des Kontaktstudiums zugänglich macht.

Das Kontaktstudium (Hochschulzertifikat / Advanced Studies) wird unter Federführung der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und in Kooperation mit den Vereinen „Mosaik Deutschland“, „Hei-MaT e.V.“, „Weisser Ring“, „SicherHeid“ und „Kommunale Kriminalprävention Rhein-Neckar“ realisiert.

Kontakt
profschool@ph-heidelberg.de

Weitere Informationen finden Sie hier
https://www.ph-heidelberg.de/professional-school/unser-angebot/zertifikats-und-kontaktstudien.html

 

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