Kein Zutritt wegen der Hautfarbe: Diskussion über Rassismus im Nachtleben

Heidelberg. Als Hamado Dipama vor fast 20 Jahren aus Burkina Faso nach München kam, hätte er gerne für ein paar Stunden den tristen Alltag in seiner Flüchtlingsunterkunft hinter sich gelassen und in einer Diskothek Kontakt mit Einheimischen gesucht. „Wenn man dann wegen seiner Hautfarbe abgewiesen wird, ist man noch trauriger“, erinnerte sich der Mann, der heute im Migrationsbeirat seiner Heimatstadt sitzt, auf der Bühne im Kulturzentrum Karlstorbahnhof. Dessen Betreiber nutzten das derzeit zur Eindämmung des Coronavirus erlassene Verbot von Tanzveranstaltungen, um mit dem Verein Mosaik Deutschland und dem städtischen Amt für Chancengleichheit eine Diskussionsrunde zu organisieren, bei der es um Rassismus unter Türstehern und Clubbetreibern ging. „Wir wollen vor allem Veranstalter auf dieses Thema aufmerksam machen“, erklärte Hannah-Lena Roth von Mosaik.

Erfahrungen keine Einzelfälle

Außer Hamado Dipama sprachen vier weitere Gäste über ihre Erfahrungen. Eine von ihnen war die Sozialwissenschaftlerin Jana Christ, die bestätigte, dass es sich bei Dipamas Erfahrungen nicht um Einzelfälle handelte. Für ihre im vergangenen Jahr an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe eingereichte Masterarbeit organisierte sie eine Onlineumfrage, um zu ermitteln, ob jemand, der im Alltag wegen seiner Hautfarbe als andersartig wahrgenommen wird, auch schwerer Zutritt zu Diskotheken erhält. Von 502 jungen Männern und Frauen aus der gesamten Metropolregion, die daran teilnahmen, gaben 138 an, innerhalb von 12 Monaten mindestens einmal abgewiesen worden zu sein.

Laut Patrick Breier, der früher als DJ arbeitete und heute für die Öffentlichkeitsarbeit des Karlstorbahnhofs zuständig ist, gebe es unter Clubbetreibern einen strukturellen Rassismus, den manche hinter Einlasskriterien wie möglichst feiner Kleidung versteckten, was weniger gut betuchte Partygäste, zu denen Menschen mit Migrationshintergrund tendenziell häufiger gehörten, ausschließe. Als Mitglied des Verbands Eventkultur Rhein-Neckar ergänzte er, dass dessen Mitglieder ein solches Verhalten ablehnten und sich bemühten, den Einlass nicht vom Aussehen abhängig zu machen. „Im Karlstorbahnhof lassen wir jeden rein, der feiern will. Es sei denn, er hat Hausverbot oder benimmt sich nicht ordentlich“, beschrieb er seine eigene „Türpolitik“.

Dieses Wort lehnte Nadine Wothe ab. Sie arbeitet selbst seit zehn Jahren als Türsteherin in Berlin und bildet angehendes Sicherheitspersonal aus. Ihrer Meinung nach müssten Türsteher intensiver geschult und die Einstellungsvoraussetzungen erhöht werden. Sensibilisierung allein reiche jedoch ebenso wenig aus, wie eine stärkere Diversifizierung des Personals, hielt Hamado Dipama dagegen. „Wenn ein schwarzer Türsteher mir sagt, er könne mich nicht reinlassen, weil sein Chef es ihm verbietet, habe ich auch nichts davon“, beschrieb er. Dies sei der Fall gewesen, als er mit sechs Kollegen aus dem Migrationsbeirat bei 25 Münchener Diskotheken probeweise um Zutritt bat. Nur in fünf hätte er feiern dürfen, teils erst nach längeren Diskussionen, während seine mitteleuropäisch aussehenden Mitstreiter überall problemlosen Zutritt erhielten.

Stärker auf die Sicht der Betroffenen ging Anna-Sophia Clemens vom Verein Samt und Sonders in Freiburg ein. Dort engagiert sie sich in einem sogenannten Awareness-Team, das Opfer von sexueller oder rassistischer Gewalt unterstützt.

Diese müssten außerdem rechtliche Mittel haben, um sich zu wehren, wie es in Berlin mit dem dortigen Antidiskriminierungsgesetz seit drei Monaten der Fall ist. Darin waren sich alle Diskutanten einig.“

© Mannheimer Morgen, Montag, 28.09.2020

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